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„Rituale helfen im Umgang mit Menschen mit Demenz“

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Erster Fachtag Trauer und Demenz am 26. Oktober im Pfalzklinikum

Schlüpfte in zwei Rollen: Christian Birko-Flemming bei dem Theaterstück „Du bist meine Mutter“.

Klingenmünster. Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Klinikkirche des Pfalzklinikums am Standort Klingenmünster. 180 teilweise bundesweit angereiste Teilnehmende waren am Freitag, 26. Oktober, zum ersten Fachtag Trauer und Demenz gekommen. Marianne Bevier, Vorsitzende des Bundesverband Trauerbegleitung e.V., eröffnete die Veranstaltung, gefolgt von einem Grußwort von Dietmar Seefeld, Landrat Kreis Südliche Weinstraße, und einer Ansprache von Paul Bomke, Pfalzklinikum-Geschäftsführer. Er betonte:„ Die OECD hat unter anderem dem Umgang mit dem Lebensende als eines von vier Gesundheitsbedürfnissen von Menschen definiert. Daher freue ich mich, dass wir es heute erstmals schaffen, eine Verbindung zwischen Trauer und Demenz herzustellen.“
Nach einer Morgenandacht von Hans Meigel und Christoph Bevier, beide Klinikseelsorger im Pfalzklinikum, moderierte Norbert Muksch, ebenfalls Vorstand des Bundesverbands Trauerbegleitung, den weiteren Vormittag.

Dr. Roland Kupper, Oberarzt und Facharzt für Psychiatrie am Pfalzklinikum, stellte unterschiedliche Stadien der Demenz dar und ließ autobiographische Episoden einfließen, da sein Vater an Demenz erkrankt war: „Ich vergleiche  die Demenz gerne mit einem Buch, dessen Seiten verklebt sind. Manchmal gelingt es auch unerwartet eine Seite aufzuschlagen und den Inhalt zu erfassen. Im Laufe der Demenz wird das emotionale Wahrnehmen des Menschen ausgeprägter, während die kognitiven und weiteren Einschränkungen zunehmen. Mein Vater hat uns als die Demenz bereits fortgeschritten war, beispielsweise zur Beerdigung seiner Schwägerin begleitet. Wir können Menschen mit Demenz Trauer zumuten und in angemessener Weise mit ihnen innehalten nach dem Tod eines Angehörigen.“ Er führte aus, dass Trauer in ganz unterschiedlicher Weise eine Rolle bei einem Menschen mit Demenz spielen kann, so als Reaktion auf die Diagnose.

Carmen Birkholz, Diplom-Theologin und Doktorandin am IFF Wien erörterte in ihrem Vortrag das Konzept der unerkannten Trauer bei Menschen mit Demenz: „Trauer bei Menschen mit Demenz ist in der Wissenschaft ein noch unentdecktes Feld. Trauer kann bei diesen beispielsweise auftreten, da sie als Person abgewertet werden. So finden keine Gespräche mehr mit ihnen, sondern nur noch mit den Angehörigen statt. Das hat eine Auswirkung, genauso wie die Komplexität unserer Welt, die auf sie einstürmt. Wir muten den fragilen Menschen sehr viel zu. Trauerbegleitung ist hier ein wichtiger Zugang. Die Aufgabe der Trauerbegleiter ist hierbei über die eigenen Demenzbilder nachzudenken und sich klarzumachen: Wenn ich einen Menschen mit Demenz kenne, kenne ich nicht alle. Ansonsten führt das schnell zu Fehlinterpretationen. Aus eigener Erfahrung mit meiner Schwiegermutter und anderen kann ich sagen, dass kein Mensch mit Demenz, den ich gut kenne, fremd oder anders ist, sondern dass er teilweise eher verstärkte Wesensmerkmale aufweist. Viel hängt im Umgang mit Menschen mit Demenz von Zuwendung und Vertrauen ab. Wichtig ist, dass wir diese nicht pathologisieren, sondern sie so sein lassen, wie sie sind und mit ihnen in einer verstehenden, liebevollen Gemeinschaft leben.“

Marianne Bevier erläuterte die Situation von Angehörigen: „Angehörige von Menschen mit Demenz kommen mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen oft zu kurz. Es wird nicht gesehen, dass diese unter der Situation leiden. Sie werden als Betreuer und Ansprechpartner gesehen und haben die Aufgabe, Betroffene gut zu versorgen. Alles konzentriert sich auf die dementen Menschen. Dabei ist es so wichtig, dass die Angehörigen ihr eigenes Leben weiterführen. Die Demenzerkrankung eines Familienmitglieds ist für Angehörige ein Verlust, der kein Ende hat. Denn der erkrankte Mensch ist da, aber gleichzeitig anders. Das ist ein Paradoxon und erzeugt Stress, bedarf aber auch einer anderen Haltung: Wir müssen die Situation mit dem Menschen mit Demenz nicht lösen, sondern diese anerkennen und dabei uns selbst und den Menschen im Blick behalten, so dass es beiden Seiten gut tut. Rituale wie eine spezielle Ausrichtung an einem Sonntag, ein Familienfest oder eine Weihnachtsfeier helfen, den Übergang zu gestalten und Krisen zu bewältigen. Auch Trauer steht uns als Grundhaltung zur Verfügung, die teilweise gegensätzlichen Gefühle der Trauer helfen, mit einer neuen Beziehung zum erkrankten oder verstorbenen Menschen weiterzuleben.“

Anstelle einer Podiumsdiskussion konnten Teilnehmende anschließend Fragen an die Rednerinnen und Rednern stellen. Nach der Mittagspause ging es in neun unterschiedliche Workshops, auf die die 180 Gäste aufgeteilt waren. Themen wie seelsorgerische Zugänge zu Menschen mit Demenz, wertschätzende Zuwendung, Humor oder Musik- und Ergotherapie im Kontext von Trauer und Demenz standen auf der Agenda.

Ein weiteres Highlight der Veranstaltung war das Theaterstück „Du bist meine Mutter“, das von Christian Birko-Flemming gespielt wurde. Er schlüpfte im Wechsel in die Rolle einer dementen Mutter und ihres Sohnes. Hierbei wurden unterschiedliche Merkmale einer Demenz deutlich, beispielsweise wie gut sich Menschen mit Demenz zunächst an ihre Vergangenheit erinnern können. Emotionale Ausbrüche über den eigenen Zustand und Verwirrung erforderten ein geduldiges Handeln des Sohnes und viel Verständnis im Umgang mit der dementen Mutter. Trotz aller Tragik arbeitete das Stück von Joop Admiraal auch viele lustige und schöne Momente heraus. Inszeniert wurde das Stück von Hedda Brockmeyer vom Theater in der Kurve, Neustadt.